Qoyllur Riti - das wohl eindrücklichste Fest in Cusco!
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qoyllur riti kerzen

Qoyllur Rit‘i – das wohl eindrücklichste Fest in der Region Cusco überhaupt!

Ein Erfahrungsbericht

Señor de Qoyllur Rit‘i (quechua: Herr des Schneesterns) – der Name allein klingt schon nach Abenteuer, andinen Traditionen und Erlebnis pur – und genau das versteckt sich auch dahinter!

 

Jedes Jahr Ende Mai, Anfang Juni wird hier in der Region Cusco am Fuß des heiligen Berges Colquepunku ein riesiges einwöchiges Fest gefeiert, zu dem man eine 8km lange Pilgerwanderung auf über 4500m Höhe hinter sich bringen muss.

Hinein ins Abenteuer!

 

Wir machen uns früh um 3 Uhr auf die ca. 3-4h dauernde Busfahrt von Cusco nach Mawallani, dem Ausgangspunkt der Pilgerwanderung.

 

Wir befinden uns mitten in der „puna“, einer andinen Klima- und Vegetationszone zwischen 4000 und 4800müM – hier wächst nur noch ein bisschen trockenes, stacheliges Icchu-Gras und ein paar geduckte Kakteen und Moose, ansonsten ist die Landschaft durch Braun- und Grautöne bestimmt. Abgesehen vom knallblauen strahlenden Himmel und den hellweiß leuchtenden Gletschern, die sich am Horizont in die Höhe strecken.

 

 

Mit Coca geht einfach alles besser!

 

Die Luft ist kalt, wir sind eingewickelt von oben bis unten, und machen uns im Trippelschritt auf den langen Weg. Das Atmen fällt auf dieser Höhe schwerer, dass es am Anfang auch noch ziemlich steil aufwärts geht, erledigt das übrige und ich habe nach ca. 1km das Gefühl es nicht weiter zu schaffen und ohnmächtig zu werden – leben auf 3400m macht einen wohl doch nicht automatisch zum sportlichen Menschen.

 

Alle Peruaner, die an uns vorbeiziehen, erkundigen sich besorgt, schenken mir Cocabonbons und Cocablätter, Alkohol zum unter die Nase reiben und sprechen mir durchweg Mut zu – ich fühle mich trotz meines Zustandes einfach nur glücklich über diese Anteilnahme und fange an die getrockneten Cocablätter zu kauen und tatsächlich spüre ich das erste Mal ihre wohltuende Wirkung, mein Kreislauf stabilisiert sich und ich bin sicher dass ich es schaffen werde, auch ohne Mietpferde!

 

Geschäftstüchtige Peruaner findet man auch auf knapp 5000 Metern!

 

In regelmäßigen Abständen tauchen aus dem Nichts heraus kleine Restaurants und Lädchen auf – dass die Menschen dafür alles Zubehör, also Herd, Geschirr, Lebensmittel, Holzbalken, Plastikplanen und ihre Produkte hier hoch schleppen müssen, muss man sich immer wieder vergegenwärtigen! Und die einzige Transportmöglichkeit sind die wenigen Pferde oder der eigene Rücken!

 

Die Ausmaße der als Rucksack fungierenden Tragetücher sind enorm, weder Kopf noch Rumpf noch Arme sind von hinten zu erkennen, einzig allein die kräftigen Beine und die oft nur mit Sandalen beschuhten Füße sind zu sehen, die unbeeindruckt vom Gewicht mit schnellen Schritten vorwärtsstreben.

 

 

Katholische und andine Glaubensvorstellungen vereint in einem Fest

 

Alte und junge Pilger, jedes Jahr wohl um die 10.000, machen sich auf den steinigen Weg hin zum heiligen Berg, dem heiligen Stein – auf dem einem Bauernjungen wohl 1780 Jesus erschienen ist und auf dessen Oberfläche sich dessen Antlitz verewigt hat. Heute steht über diesem Stein eine Kirche.

 

Aber wir wären nicht in Peru, wenn dieses Fest nicht auch seine andinen Züge tragen würde, die Anbetung der Berggötter (quechua: Apus) ist hier genauso gegenwärtig wie der katholische Jesusglaube.

 

Verschiedene traditionelle Tänzergruppen machen sich jedes Jahr, bunt verkleidet und von Musikkapellen begleitet auf zu mehrtägigen Wanderungen, die sie schlussendlich über mehrere Pässe direkt an den Fuß des Heiligen Berges führen. Hier erweisen sie mit ihren Tänzen und Gesängen dem Berg seine Ehre, es fließt tatsächlich – ganz Peru untypisch – während der ganzen Festlichkeiten kein Tropfen Alkohol!

 

Die Menschenschlange, um den „Jesusstein“ zu besuchen, ist kilometerlang, auch wenn wir uns während des Aufstieges, angesichts der ständig nach unten strömenden Menge, schon gefragt hatten, ob wir am Ziel die Einzigen wären, werden wir nach der letzten Abbiegung mit einer Menschenmasse konfrontiert, die wir in dieser Einöde nie erwartet hätten:

 

Es herrscht Volksfestcharakter, überall Devotionalien zu kaufen, aber auch Häuser, Autos, Lkws, etc. in Spielzeuggröße, Spielgeld, Doktortitel und alle möglichen Abschlusszeugnisse sind für ein paar Sol symbolisch käuflich zu erwerben. Ausgestellt auf den eigenen Namen, sollen sie einem den realen Erwerb näher bringen.

 

Wer will, kann sich von einem Papagei oder einem Äffchen auf über 4800m sein Glück lesen lassen. Es ist unendlich voll, immer wieder ziehen Gläubige mit ihren Kreuzen vorbei, bunt gekleidete Tanzgruppen führen traditionelle Tänze auf, überall steigen aus den improvisierten Zelten Rauch und Essengerüche auf.

 

Nach einer ersten Stärkung steigen wir bis ganz nach oben – später erfahren wir, dass uns noch 100 Höhenmeter bis zu 5000 Metern gefehlt hätten – und genießen den Blick auf die Zeltstadt und das Gewusel unter uns.

 

Eine Kapelle mit einem riesigen Stein und massenhaft Spielzeuggeld – hier treffen profane und spirituelle Welt aufeinander

 

Hinter uns ist eine kleine Kapelle, ein großer Stein ruht dort wo sonst ein Altar stünde, auf ihm drauf wurde eine kleine Andachtskapelle gesetzt, wir fragen uns wen die Gläubigen hier wohl anrufen, wem die brennenden Kerzen und Blumen gewidmet sind – wohl beiden Berg und Kirche, wie es für die andine Realität üblich ist.

 

Links in der Kapelle liegt bündelweise Spielgeld auf aufgetürmten Geldbergen, zwei „Bänker“ nehmen das Geld gegen eine reale Gebühr von einigen Soles für die Gläubigen entgegen, die so ihr virtuelles Glückskonto füllen.

 

 

Dein Wunschhaus in Miniatur

 

Wieder draußen werden wir mit einer weiteren Qoyllur Rit‘i-Tradition konfrontiert: den Berghang hinauf reihen sich Steinhaufen an Steinhaufen. Erst nach und nach entdecken wir, dass es sich dabei um kleine selbstgebaute „Grundstücke“ und „Häuschen“ handelt, die hier symbolisch erworben werden können, selbst Notare sind anwesend, die das Ganze mit einer Urkunde beglaubigen!

 

Nachdem man aus den umliegenden Steinen „sein Haus“ gebaut hat, darf die Einweihungsparty natürlich nicht fehlen, die Utensilien dafür werden in kleinen Tüten verkauft: Konfetti, Luftschlangen, Knallfrösche! Während auch wir bauen, beobachten wir die Leute, die teilweise mit viel Ernst, Gebeten und Segensritualen und Weihrauch ihr neues Heim einweihen.

 

Die Zeit verfliegt, wir sind völlig erschlagen von so vielen Eindrücken und den Erlebnissen, der Höhe, der beeindruckenden Nähe des Gletschers und der Tatsache, dass wir die 8km ja auch wieder zurücklegen müssen – doch wir schaffen es ohne Probleme und sind abends in Cusco nach 12 Stunden Unterwegssein überglücklich dabei gewesen zu sein!

 

Wir ahnen, dass wir nur einen Bruchteil der Bräuche, Traditionen, Tänze und Rituale miterleben konnten und schwören uns, beim nächsten Mal länger zu bleiben!

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